Der IDW Vorstand hat in Abstimmung mit dem IDW Verwaltungsrat die Entwicklung eines Wertekodex für den Berufsstand initiiert und dieses Projekt mit Veröffentlichung des IDW Wertekodex am 09.01.2023 abgeschlossen.
Der IDW Wertekodex für Wirtschaftsprüfer*innen
IDW Wertekodex zum Download
Fragen und Antworten zum Wertekodex
Begleitet hat das Projekt ein vom IDW Vorstand berufenen Beirat, der in seiner Zusammensetzung die verschiedenen Stakeholder unseres Berufs und deren Interesse an der Wirtschafts- und Abschlussprüfung zur Geltung bringt. Mitglieder des Beirats sind Herr Dr. Werner Brandt, Vorsitzender des Aufsichtsrates der RWE AG, Herr Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs a.D. und Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D. und Frau Prof. Dr. Christiane Woopen, Direktorin des Center for Life Ethics, Universität Bonn, und ehemalige Vorsitzende des Europäischen und des Deutschen Ethikrates, Herr Brandt hat dabei insbesondere die Erwartungen der Stakeholder aus der Wirtschaft artikuliert, Herr Mellinghoff brachte u.a. die gesellschaftlichen Erwartungen an den Berufsstand zum Ausdruck und Frau Woopen stellte die ethischen Fragen in den Vordergrund.
Um den Berufsangehörigen, insbesondere den IDW Mitgliedern, und der Öffentlichkeit Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit dem Kodex-Entwurf zu geben, hatte das IDW im Juli den Entwurf für eine dreimonatige Konsultation veröffentlicht und ihn im September auf seinem Jahreskongress in Bonn zur Diskussion gestellt. Die erhaltenen Anmerkungen wurden bei der Finalisierung des Kodex berücksichtigt.
Wirtschaftsprüfer*innen spielen eine wichtige Rolle für das Funktionieren einer marktwirtschaftlichen und nachhaltigen Gesellschaftsordnung. Die gesetzlichen und berufsständischen Anforderungen an den Berufsstand sind daher – zurecht – hoch. So können Wirtschaftsprüfer das notwendige Vertrauen in die Wirtschaftsakteure schaffen und die Akzeptanz dieser Gesellschaftsordnung fördern. Wirtschaftsprüfer*innen unterliegen einer Vielzahl von Vorschriften und Regeln. Ziel des Kodex ist, dass hinter all diesen komplexen und in verschiedensten Vorschriften stehende Grundverständnis des Berufsstands für die Berufsträger*innen selbst zu formulieren und dem Berufsnachwuchs und der Öffentlichkeit zu verdeutlichen. Notwendig erscheint dies auch, weil aus der Öffentlichkeit, insbesondere der Politik, regelmäßig ein gewisses Unverständnis über den Berufsstand zurückgespiegelt wird. Dieses Un- oder Missverständnis wird auch durch öffentlich diskutierte mögliche Fehlleistungen von Abschlussprüfern genährt.
Das Selbstverständnis eines modernen und verantwortungsvollen Berufsstands lässt sich im geschriebenen Berufsrecht nicht abschließend abbilden. Das geltende Berufsrecht wird daher durch den Kodex an einigen Stellen verdeutlicht und ergänzt.
[1] Im Kodex bekennen sich die Wirtschaftsprüfer*innen zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. Das Berufsrecht kennt das berufswürdige Verhalten, welches verantwortungsvolles Handeln je nach Fall einschließt. Ausdrücklich ist die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung wie in Kapitel 2.1 des Kodex im Berufsrecht jedoch nicht adressiert. Wirtschaftsprüfer*innen sind als Vertrauensdienstleister und Akteure in der Marktwirtschaft aufgrund ihrer Ausbildung und ihres wirtschaftlichen Überblicks besonders befähigt und somit auch verpflichtet, die Funktionsfähigkeit der nachhaltigen Marktwirtschaft zu stärken. Dementsprechend wächst auch die Erwartung der Öffentlichkeit an den Berufstand, der sich die Berufsangehörigen mit Einhaltung des Kodex stellen.
[2] Am Ende des Kapitels 2.2 bekennen Wirtschaftsprüfer*innen, dass sie Fehler eingestehen und aus ihnen lernen. Das Berufsrecht enthält nur punktuell einen Aspekt, der zur Fehlerkultur gehört, nämlich die Nachschau. Selbstverständlich unterlaufen auch Wirtschaftsprüfer*innen im Einzelfall Fehler. Damit man aus Fehlern für die Zukunft lernen kann, muss sich der jeweilige Berufsangehörige diese mit kritischer und selbstkritischer Haltung zunächst eingestehen. Weil Wirtschaftsprüfer*innen gewohnt sind, immer höchste Leistung zu erbringen, ist der Umgang mit Fehlern nicht unbedingt geübt. Der Kodex will das Bewusstsein für eine fortentwickelte Fehlerkultur schärfen.
[3] Die kritische Grundhaltung des Abschlussprüfers wird ausdrücklich in Kapitel 2.5 behandelt. Zur kritischen Grundhaltung sieht der Kodex die Einhaltung der vom IDW festgestellten Grundsätze ordnungsgemäßer Abschlussprüfung (GoA) vor. Der Kodex verdeutlicht, dass verantwortungsvolle Wirtschaftsprüfer*innen das nach der Berufssatzung der WP/vBP gebotene Beachten als Einhalten verstehen.
[4] Im Kapital zur Steuerberatung (2.6) verpflichten sich Berufsträger*innen ihre Mandanten aufzufordern, steuerliche Gesetze und Vorschriften einzuhalten. Die Präambel weist auf die besondere Verantwortung der Berufsträger*innen hin, die darin besteht, sowohl das öffentliche Interesse zu berücksichtigen als auch den Mandanten gerecht zu werden. Dieses Spannungsverhältnis wird insbesondere bei der Steuerberatung deutlich, einer Tätigkeit, mit der Wirtschaftsprüfer*innen aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung häufig beauftragt werden. Gerade in der Steuerberatung sind skandalträchtige Fälle bekannt, die häufig undifferenziert negativ auf den Berufsstand ausstrahlen. Aufgrund ihrer Unternehmenskenntnisse gelingt Wirtschaftsprüfer*innen ein besonderer Weitblick. Dieser muss im Sinne der Mandanten wie der Öffentlichkeit dazu genutzt werden, Mandanten vor unrechtem Verhalten zu schützen. Nur ein gesetzlich handelnder Mandant bietet die Grundlage für die vertrauenswürdige Tätigkeit der Wirtschaftsprüfer*innen. Mit der Aufforderung an den Mandanten, steuerliche Gesetze und andere Vorschriften einzuhalten, tragen Wirtschaftsprüfer*innen ihr Mögliches bei, die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft aufrecht zu erhalten.
[5] In Kapitel 3.2 zur Qualitätssicherung verpflichten sich Wirtschaftsprüfer*innen in ihrer Praxis eine Kultur zu fördern, in der Fehler als Chance zum Wandel und zur Verbesserung verstanden werden. Hier gilt die Ausführung oben zu Punkt 2 bzgl. des Kapitels 2.2. Fehler werden auch von den Besten gemacht. Aus Fehlern zu lernen, ist keine Selbstverständlichkeit, aber Eigenschaft eines verantwortungsvollen Berufsstands. Deshalb betont der Kodex diesen wichtigen Aspekt.
[6] Kapitel 3.3 verdeutlicht, dass in der jeweiligen Praxis die Leitungskräfte und Mitarbeitenden füreinander da sind und aufeinander zugehen, um Verhaltensanforderungen, Werte und komplexe Arbeitssituationen zu besprechen. Dieser Aspekt der Personalführung ist berufsrechtlich nicht ausdrücklich verankert, dürfte aber in der täglichen Arbeitsweise einer verantwortungsvoll geführten Wirtschaftsprüfungspraxis gang und gäbe sein. Der Kodex reflektiert dies. Der Berufsstand hat mit vielen Regeln und komplexen Sachverhalten zu tun; es gibt Spannungen und Entscheidungsdruck. All dies macht den Beruf interessant und verantwortungsvoll. Hier ist ein dauerhaft konstruktives Miteinander nötig.
[7] Hinweisgeberschutz (Kapitel 3.4) ist vom deutschen und europäischen Gesetzgeber neu entwickelt worden. Der Gesetzgeber richtet sich nur an bestimmte Unternehmen. Auch deshalb werden gewiss nicht alle Wirtschaftsprüfungspraxen gleiche Strukturen entwickeln. Daher verpflichtet sich die Leitung von Wirtschaftsprüfungspraxen im Kodex, je nach ihren Möglichkeiten, ihre Organisation so zu strukturieren, dass sie für die Arbeit gedeihlich ist. Konkret ist z.B. die klare Benennung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten innerhalb einer Organisation gemeint. Dies ermöglicht auch, Fehlerquellen zu benennen, wobei die Aufdeckung solcher Fehlerquellen geschützt sein muss. Das Aufdecken von Fehlern bedarf eines geschützten Raumes, muss aber innerhalb des Raumes transparent sein.
[8] Das für jede Praxis bestehende individuelle Vergütungssystem (Kapitel 3.5) gibt das Berufsrecht nicht vor. Berufsrechtlich wird Qualitätssicherung bei Abschlussprüfungen gefordert. Auch über das Vergütungssystem kann eine Wirtschaftsprüfungspraxis die Qualität ihrer Leistungen fördern und Verantwortung steuern. Nach dem Kodex entwickelt jede Praxis das für sie beste Vergütungssystem. Die Wirtschaftsprüfer*innen unterstreichen mit dem Kodex die Ziele eines solchen Vergütungssystems, nämlich, dass es langfristig Qualität fördert und fair ist. Vergütung ist auch Ausdruck der Wertschätzung für die Mitarbeiter*innen. Hierzu gehört der Respekt vor der verantwortungsvollen, kritischen und selbstbewussten Durchführung der betrauten Aufgaben. Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist eine allgemein gesetzlich verankerte Verpflichtung. Der Kodex nimmt sie dennoch für den Berufsstand auf, um die Modernität der Wirtschaftsprüfer*innen und ihre Ausrichtung auf die Zukunft zu unterstreichen.
[9] In Kapitel 3.6 verpflichtet sich die Leitung von Wirtschaftsprüfungspraxen zur nachhaltigen Praxisführung. Hier gelten in ähnlicher Weise die Ausführungen zu Punkt 1 bzgl. Kapitel 2.1. Zum Teil verweist dieser Abschnitt auf gesetzliche Vorgaben außerhalb des Berufsrechts, die die verantwortungsvolle Leitung von Wirtschaftsprüfungspraxen ohnehin beachtet. Da eine nachhaltige Führung die Wirtschaftsprüfungspraxis in die Zukunft führt, räumt der Kodex diesem Aspekt besondere Bedeutung ein. Die nachhaltige Praxisführung ist auch ein Signal an den Berufsnachwuchs, dass er in eine sich dynamisch fortentwickelnde Berufswelt einsteigt.
Der Kodex beschreibt, die moderne und verantwortungsvolle Berufsausübung eines jeden Wirtschaftsprüfers und einer jeden Wirtschaftsprüferin und die moderne und verantwortungsvolle Leitung von Wirtschaftsprüfungspraxen. Es wurde im Entstehungsprozess des Kodex vereinzelt kritisiert, dass er das Selbstverständliche erwähne. Die Ausformulierung von Selbstverständlichkeiten kann den Berufsträger*innen dazu dienen, sich einer Gegebenheit bewusst zu werden, und der Öffentlichkeit helfen, diese Gegebenheit und ihren Hintergrund zu verstehen. Insofern gelten die Anforderungen in Abschnitt 2 des Kodex für alle Berufsträger*innen. Was die Wirtschaftsprüferpraxen betrifft, so macht die Einleitung zu Kapitel 3 deutlich, dass die Anforderungen an der Struktur und den jeweiligen Gegebenheiten der einzelnen Praxis Maß nehmen. Nicht jeder Einzelaspekt einer Anforderung kann von allen Praxen gleichermaßen umgesetzt werden. Die Grundsätze gelten somit für alle, die Umsetzung erfolgt in der jeweiligen Praxis mit Augenmaß und in der in diesem Kodex niedergelegten Verantwortlichkeit.
Der Vorstand des IDW empfiehlt dem Berufsstand, den Wertekodex anzuwenden, ihn zu leben und seine Beachtung an geeigneter Stelle, z.B. auf der Homepage, öffentlich zu erklären. Dort, wo, wie oben beschrieben, der Kodex über das geschriebene geltende Gesetz hinausgeht, verpflichten sich die Berufsträger*innen selbst zur Einhaltung dieser Anforderungen. Damit trägt jeder und jede Einzelne dazu bei, den Beruf fortzuentwickeln, die Vertrauenswürdigkeit des Berufsstands zu fördern und der Öffentlichkeit gegenüber kundzutun und dem potenziellen Berufsnachwuchs aufzuzeigen, in welchen verantwortungsvollen und für das gesellschaftliche und wirtschaftliche Gefüge maßgeblichen Beruf er einsteigt.
Der IDW Vorstand wird die Anwendung und Akzeptanz des Kodex verfolgen und ggf. daraus Schlüsse für seine Fortentwicklung ziehen.