ESRS: Veröffentlichter delegierter Rechtsakt der EU-Kommission akzeptabler Kompromiss

Am 31.07.2023 hat die Europäische Kommission die aus ihrer Sicht finalen europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) in Form eines delegierten Rechtsaktes veröffentlicht. Die ESRS stellen einen Meilenstein in der Fortentwicklung der Unternehmensberichterstattung dar.

Erleichterungen bleiben weitgehend erhalten

Im Vergleich zu den Vorschlägen der EFRAG hatte die Kommission wesentliche - und aus Sicht des IDW begrüßenswerte - Erleichterungen für die Unternehmen vorgeschlagen. Diese Erleichterungen sind in der finalen Fassung trotz zwischenzeitlicher öffentlicher Diskussionen weitgehend erhalten geblieben.

Die Kommission hatte vor allem folgende Erleichterungen gegenüber der EFRAG-Fassung vorgenommen:

  • Zusätzliche zeitliche Streckung der erstmaligen Angabe besonders herausfordernder Informationen („phasing-in“);
  • Deutliche Ausweitung des Wesentlichkeitsvorbehaltes einzelner Angabepflichten;
  • Umwandlung von Pflichtangaben in freiwillige Angaben.

Wesentlichkeitsvorbehalt

Ein Problem hatte sich dahingehend ergeben, dass wegen des Wesentlichkeitsvorbehaltes Unternehmen Angaben ggf. nicht zu machen brauchen, die aber für den Finanzsektor erforderlich sind. Hier ist nunmehr vorgesehen, dass explizit von den Unternehmen erklärt werden muss, welche Datenpunkte wegen Unwesentlichkeit weggelassen werden. Zudem soll eine tabellarische Darstellung Transparenz schaffen.

Weitere Klarstellungen sollen in den für den Finanzsektor relevanten Rechtsakten erfolgen. Dies entspricht den Vorschlägen des IDW. Allgemein sollen nach Auffassung der Kommission die Kapitalmarktteilnehmer davon ausgehen, dass von den Unternehmen als unwesentlich erachtete Angaben für die nachhaltigkeitsbezogene Einschätzung von Investitionen in diese Unternehmen als neutral anzusehen sind (so die begleitenden Q&A).

Einschränkung des Wahlrechts zur Begründung

Der bisherige Vorschlag der Kommission enthielt ein allgemeines Wahlrecht zur Begründung und Erläuterung, falls bestimmte Angaben aus Gründen der Wesentlichkeit nicht gemacht werden. Dieses Wahlrecht wird in den finalen Standards insoweit eingeschränkt, als die Unternehmen die Thematik „Klimawandel“ als unwesentlich erachten und daher keine Angaben nach ESRS E1 machen. In diesen Fällen ist nunmehr immer eine Begründung und Erläuterung erforderlich, die u.a. auch das Ergebnis der individuellen Wesentlichkeitsanalyse umfasst.

Kompatibilität zu ISSB-Standards

Die Kommission weist auch darauf hin, dass mit den finalen Standards eine hohe Kompatibilität zu den bisher vorliegenden globalen Standards des ISSB erreicht worden ist. Dies entspricht den Forderungen des IDW. Der weltweite Zusammenschluss der Börsenaufsichten IOSCO hatte jüngst eine weltweite Anerkennung („endorsement“) der ISSB-Standards verlangt.

Zeitplan

Die Kommission will den delegierten Rechtsakt zu den ESRS nach den begleitenden Q&A in der zweiten Augusthälfte an das Europäische Parlament bzw. den EU-Ministerrat formell übermitteln. Diese können den Rechtsakt jeweils nur insgesamt zurückweisen, Änderungen sind nicht möglich. Parlament und Rat haben dazu grundsätzlich zwei Monate Zeit, mit der Möglichkeit einer Ausweitung auf vier Monate, falls dies von mindestens einer der beiden Institutionen gewünscht wird.

Wird dem Rechtsakt bis zum Fristablauf nicht widersprochen oder vor Fristablauf mitgeteilt, dass keine Einwände erhoben werden, wird er im EU-Amtsblatt veröffentlicht und tritt drei Tage später in Kraft.

Unternehmen, die bisher schon zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet waren, müssen die ESRS bereits für das Geschäftsjahr 2024 anwenden. Die erstmals verpflichteten großen Unternehmen (in Deutschland der wesentliche Teil der insgesamt verpflichteten Unternehmen) folgen dann für das Geschäftsjahr 2025.

Erste Einschätzung des IDW

Das IDW hat die Erarbeitung der ESRS intensiv begleitet, zuletzt mit seiner Eingabe vom 07.07.2023 zu den vorhergehenden Entwürfen der Kommission.

Nach erster Einschätzung des IDW stellen die finalen ESRS einen akzeptablen Kompromiss dar, der es vor allem erlaubt, Kosten-Nutzen-Abwägungen einzubeziehen. Gleichwohl werden Implementierung und Anwendung zu zahlreichen Fragen führen, auch wenn die Kommission hier ergänzende Hilfestellungen verspricht. Inwieweit der Vorschlag des IDW aufgegriffen wird, die Anwendung durch eine allgemeine „Generalnorm“ auch für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu untermauern, wird die Zukunft zeigen. Eine solche Generalnorm, wie es sie auch in der Finanzberichterstattung gibt, könnte Orientierung für Auslegungsfragen sein. Das IDW und seine Gremien werden die finalen ESRS intensiv analysieren und entsprechende Verlautbarungen zur Unterstützung des Berufsstandes erarbeiten.

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